Die meisten Menschen denken bei dem Stichwort “BDSM” als erstes an die Buchreihe “Fifty Shades of Grey”, an Fesselspielchen und Frauen in knapper Lederkluft. Dabei ist BDSM mehr als nur Fesseln und Peitschen – es ist ein facettenreiches Feld zwischenmenschlicher Dynamiken, das auf Vertrauen, Kommunikation und gegenseitigem Respekt basiert. Gerade für Neugierige oder Einsteiger*innen lohnt sich ein genauer Blick hinter die Klischees – wer weiß, vielleicht hast du BDSM ja auch schon einmal (unwissentlich) ausprobiert?
Was ist BDSM – Eine Definition
BDSM ist im Großen und Ganzen eine sexuelle Vorliebe oder Sexualpraktik, wobei der Sex selbst nicht immer im Vordergrund stehen oder gar ein Teil dieser Praktik sein muss.
Die Abkürzung BDSM steht als Akronym für mehrere Bestandteile:
- Bondage & Discipline (B&D) – Fesselung und Disziplinierung
- Dominance & Submission (D&S) – Dominanz und Unterwerfung
- Sadism & Masochism (S&M) – Lust an Schmerz oder Unterwerfung
Dabei geht es nicht zwingend um Schmerz oder Sexualität, sondern um das bewusste Spiel mit Machtverhältnissen und Rollen. Für viele ist BDSM ein Weg, Nähe, Kontrolle oder Hingabe auf intensive Weise zu erleben – und das kann auch vollständig bekleidet passieren.
Bondage (Fesselung)
Der Begriff Bondage bezieht sich auf das Fesseln mit Seilen, Stricken oder ähnlichen Materialien, die in der BDSM-Praktik eine bedeutende Rolle spielen. Historisch gesehen ging der Begriff jedoch auch mit dem Thema Unterwerfung in gesellschaftlichen Hierarchien einher, wie zwischen Herren und Sklaven oder Feudalherren und Vasallen. Deshalb umfasst Bondage nicht nur das Fesseln zu erotischen Zwecken, sondern auch die Darstellung asymmetrischer Machtverhältnisse.
Disziplin
Disziplin bezieht sich auf die Regeln, Verhaltensvorgaben und Gepflogenheiten, die von der untergeordneten Person innerhalb einer BDSM-Beziehung beachtet werden müssen. Es handelt sich um ein System aus Vorschriften und Sanktionen, bei dem die dominante Person ihre Macht ausübt, um das Verhalten des Submissiven zu lenken.
Dominanz
Dominanz beschreibt die Rolle, die eine Person übernimmt, um die Kontrolle über ihren Partner oder ihre Partnerin auszuüben. Diese Person gibt den Ton an und bestimmt die Handlungen innerhalb der Beziehung, wobei sie die übergeordnete Rolle spielt und den Submissiven nach Belieben führt.
Unterwerfung
Die Unterwerfung stellt das Gegenstück zur Dominanz dar. In dieser Rolle übernimmt die Person eine Position der Passivität und fügt sich dem Willen der dominanten Person. Sie gehorcht und lässt sich von ihrem Partner oder ihrer Partnerin führen, wobei dies stets freiwillig und mit Zustimmung geschieht.
Sadismus
Sadismus bezieht sich auf sexuelle Praktiken, bei denen eine Person Vergnügen daran hat, einer anderen körperliche oder psychische Schmerzen zuzufügen oder sie zu erniedrigen. Es ist wichtig zu betonen, dass alle damit verbundenen Handlungen einvernehmlich und sicher sein müssen, da dies nichts mit schädlichem oder kriminellem Sadismus zu tun hat.
Masochismus
Masochismus ist die Ergänzung zum Sadismus und beschreibt das Empfinden von Lust durch das Erleiden von Schmerzen oder Demütigungen, die der Partner zufügt. Der masochistische Partner hat die Kontrolle über seine Grenzen, die stets respektiert werden müssen, um sicherzustellen, dass die Erfahrung im Einklang mit den vereinbarten Regeln und dem gegenseitigen Respekt bleibt.
Rollen und Dynamiken im BDSM: Wer ist wer?
Anhand der einzelnen Unterkategorien lässt sich schon erkennen: Zum BDSM gehören mindestens zwei Akteure. Eine dominierende Person und eine, die dominiert wird. In der Szene werden diese Akteure meist wie folgt bezeichnet:
- Dominant (Dom/Domina): Person, die die Kontrolle übernimmt
- Submissive (Sub): Person, die die Kontrolle abgibt
- Switch: Wechselt zwischen beiden Rollen
Diese Rollen können situativ oder dauerhaft sein. Manche leben ihre Dynamik im Alltag (z. B. 24/7-D/S-Beziehungen), andere nur in bestimmten „Sessions“ oder „Szenen„. Wichtig ist stets: Alles basiert auf freiwilliger, informierter Zustimmung – oft abgesichert durch sogenannte Safewords oder sogar schriftliche Verträge.
Was BDSM ist – und was nicht
Befragt man Menschen, die der BDSM-Szene fremd sind, ist die Antwort auf die Frage “Was ist BDSM?” häufig: “Fesselspiele, Schmerzen, Erniedrigung und ein perverser Spaß an Gewalt.” Es stimmt, dass Fesselspiele oder das Ausüben von Strafen ein Teil der BDSM-Praktik sein können, jedoch ist das bei weitem nicht alles. Das Tragen von Handschellen oder Augenbinden während des Sexualakts oder das Einbinden von Rollenspielen im Schlafzimmer ist bereits ebenfalls ein Teil von BDSM. Hättest du das gedacht?
BDSM ist:
- Einvernehmlich – alle Beteiligten stimmen bewusst zu
- Kommunikativ – klare Absprachen und Nachbesprechungen
- Sicherheitsbewusst – mit Safewords, Grenzen und Nachsorge
- Vielfältig – von sanften Rollenspielen bis zu intensiven Praktiken
BDSM ist nicht:
- Missbrauch oder Zwang
- Ein Ausdruck psychischer Störungen
- Automatisch sexuell – viele Praktiken sind nicht explizit erotisch
Ein zentrales Prinzip lautet: SSC – Safe, Sane, Consensual (Sicher, mit gesundem Menschenverstand, einvernehmlich). Alternativ nutzen einige die Formel RACK – Risk Aware Consensual Kink (Risiko-bewusster, einvernehmlicher Kink), um auch riskantere Praktiken verantwortungsvoll zu gestalten.
Nachsorge – Wichtig für Körper und Seele
Ein essenzieller Bestandteil jeglicher BDSM-Praktiken ist die sogenannte Nachsorge. Vor allem nach einer intensiven Session ist sie wichtig, um den submissiven Partner wieder sanft in die Gegenwart zu holen. Nachsorge kann viele Formen annehmen, je nachdem, was für das Wohlbefinden des Submissiven (und auch des Dominanten) notwendig ist. Zu den typischen Nachsorgepraktiken gehören:
- Physische Zuwendung wie Massagen oder Kühlung bei Schmerzen.
- Beruhigende Worte und Gespräche, um emotionale Sicherheit und Vertrauen zu stärken.
- Kuscheln oder Zärtlichkeiten, um Nähe und Fürsorge zu zeigen.
- Nachbesprechungen der Session, um etwaige Unklarheiten zu beseitigen und sicherzustellen, dass alle Bedürfnisse und Grenzen respektiert wurden.
Zusammengefasst ist Nachsorge beim BDSM nicht nur eine nette Geste, sondern ein wichtiger Bestandteil des Spiels, der das Vertrauen stärkt, das emotionale Wohlbefinden fördert und dafür sorgt, dass BDSM eine sichere und positive Erfahrung bleibt.
Vorurteile und Missverständnisse – Besonders durch Literatur und Film
Die Roman- und Filmreihe „Fifty Shades of Grey“ hat BDSM international populär gemacht – aber auch viele falsche Vorstellungen verbreitet. In der Szene wird die Darstellung oft scharf kritisiert:
„Christian Grey bricht jede Regel von BDSM“, sagt die britische Psychologin Susan Quilliam.i Und auch die bekennende Submissive Sophie Morgan schreibt in einem Artikel im “The Guardian”, dass die Romanreihe ein völlig falsches Bild von der Welt des BDSM verbreite und toxische Beziehungen verharmlose.ii Die Beziehung zwischen den Protagonisten Christian Grey und Anastasia Steele zeigt Manipulation, Kontrolle und emotionale Abhängigkeit – Elemente, die in der realen BDSM-Praxis als Red Flag gelten. Echte BDSM-Beziehungen basieren auf Gleichwertigkeit, nicht auf Macht- und körperlichen Missbrauch.
Stimmen aus der Szene: Was Insider über BDSM sagen
Die Berliner Domina Lady Susan rät Frauen, die BDSM erkunden möchten, zu einem behutsamen Einstieg: „Besuche Einsteigerabende in Clubs oder Stammtische. Vertraue nur Profis mit seriösem Auftreten und kläre alle Fragen im Vorfeld.“iii
Auch Sextherapeut*innen wie Dr. Stephanie Hunter Jones betonen die positiven Effekte von BDSM auf Beziehungen: „BDSM kann Paaren helfen, neue Nähe zu finden, Rollen neu zu definieren und das Vertrauen zu stärken.“iv
BDSM als bewusste, respektvolle Praxis
BDSM ist kein Tabu, sondern eine vielfältige Möglichkeit, Intimität, Lust und Identität neu zu entdecken. Wichtig sind dabei Offenheit, Bildung und gegenseitiger Respekt. Wer sich informiert, kommuniziert und auf sein Bauchgefühl hört, kann BDSM als bereichernde Erfahrung erleben – fernab von Klischees und falschen Vorbildern. Bist du daran interessiert, mit deinem Date oder Partner einen Schritt in die Welt des BDSM zu wagen? Dann kommuniziert offen darüber, probiert euch aus und – ganz wichtig: Lernt eure Grenzen kennen und haltet diese ein! Für weitere Informationen und Austausch bieten sich auch Plattformen oder Gruppen für Menschen mit Interesse an BDSM und anderen erotischen Themen an.
Verwandte Beiträge